Mannheimer Morgen, 17. März 2007
Perfektes Plaudern
Kleines Gespräch mit großer Wirkung: Smalltalk ist mehr als oberflächliche Unterhaltung / Ein Seminar weiht in die Kunst der Konversation ein
Von Ursula Barth
Man
nennt es "Üben am lebenden Objekt", und die meisten tun sich schwer damit. Eine Frau hält ihre Kaffeetasse mit beiden Händen fest umklammert und sieht so aus, als wäre sie am liebsten unsichtbar. Ein Mann
verschränkt die Arme vor der Brust und blickt prüfend in die Runde. Ein unverkrampftes Gespräch will sich nicht so recht einstellen, dabei ist genau das gefragt. Schüchtern, fast entschuldigend lächeln sich die
Damen und Herren zu. Es ist Frühstückspause beim Smalltalk-Seminar in Friedrichshafen, und eigentlich sollten die Teilnehmer jetzt ihr eben gelerntes Wissen einer ersten Bewährungsprobe unterziehen. Ein Profi, wer
da noch locker bleibt.
"Smalltalk", sagt Seminarleiterin Annette Kessler, "ist keine intellektuelle Kapitulation". Und meint: Auch wenn die Themen scheinbar einfach sind, kann die
belanglose Plauderei Sympathie und Vertrauen schaffen, die Atmosphäre lockern, persönliche Kontakte herstellen - und vielleicht sogar Türen öffnen für ein tiefergehendes Gespräch oder einen Geschäftsabschluss. Denn
merke: In den ersten fünf Sekunden entscheidet sich, ob ich jemanden mag oder nicht. Da kommt es nicht nur auf den passenden Inhalt, sondern auf die perfekte Performance an.
"Das Leben ist eine
Bühne": Annette Kessler, die vor allem Banken und Pharmafirmen berät, spricht aus Erfahrung. Als Musik- sowie Theaterwissenschaftlerin und Sängerin kennt sie sich aus mit dem großen Auftritt. Und sieben Männer
und Frauen - Geschäftsführer, Unternehmensberater, Chefsekretärin, Weihnachtsbaumgroßhändler, Ehefrau mit gesellschaftlichen Verpflichtungen - wollen sich an diesem Sonntag eine Scheibe ihres Wissens in Puncto
Parkettsicherheit abschneiden.
"Ich bin öfter mal auf Empfängen, und es ist einfach langweilig, immer nur über das Wetter zu reden", beschreibt ein Firmeninhaber seine Hoffnung, zähen
Veranstaltungen künftig eine spannenderen Dreh zu verpassen. "Ich habe oft das Problem, dass ich bei Einladungen die Jüngste bin und mit Leuten reden muss, die ich nicht riechen kann", sagt eine Frau ganz
unverblümt. "Mehr Lockerheit und Sicherheit im Gespräch", wünscht sich dagegen ein Unternehmens-Consultant. "Und dass man nicht in der Ecke steht und nichts zu sagen hat."
Dieses traurige
Schicksal soll nach Kesslers Seminar niemanden mehr treffen. "Nie wieder sprachlos" lautet das Motto. Ob im Fahrstuhl, in der Kantine oder nur am Gartenzaun: "Auf dem gesellschaftlichen Parkett ist
Konversation angesagt. Gesprächspausen sind peinlich." Dass die kleine Plauderei am Rande auch im Job große Wirkung zeigt, erklärt Kessler eindrucksvoll anhand einer IBM-Untersuchung zu den Kriterien für die
Karriere. Ernüchternde zehn Prozent macht die Qualität der Arbeit aus. Image und Selbstdarstellung sind mit 30 Prozent schon wichtiger, den alles entscheidenden Rest bestimmt der Bekanntheitsgrad im Unternehmen.
Wohl dem also, der die Kunst der Kommunikation beherrscht, wenn er etwa seinem Chef im Fahrstuhl begegnet. Ein lockerer Spruch über den strömenden Regen zum Beispiel, der dem Mitarbeiter schon auf dem Weg ins
Büro die Frisur zerstört hat, kann die Situation "entkrampfen". Aber: "Kein Gespräch aufzwingen", rät Kessler - und gibt gleich noch ein paar Tipps, von welchen Themen man besser die Finger lässt.
Politik, Religion, Krankheiten, private Probleme oder gar Sex sind beim "kleinen Gespräch" nicht angesagt. "Die letzte Durchfallerkrankung ist als Thema verfehlt", sagt Kessler und
lächelt dabei vielsagend. Auch über Geld und Gehalt spricht man nicht. Lästern oder Tratschen sind ebenfalls verboten. "Sie deklassieren sich selbst", warnt Kessler.
Die Anreise, das Wetter, der
letzte Urlaub, die Sehenswürdigkeiten in der Umgebung, das aktuelle Zeitgeschehen oder der jüngste Theaterbesuch seien dagegen bestens geeignet, sich vorsichtig an den Gesprächspartner heranzutasten. "Vermeiden
Sie Themen, die polarisieren und wählen Sie solche, die eine gute Atmosphäre schaffen", rät die Trainerin.
Das ist leichter gesagt als getan - zum Beispiel, wenn sich das Gegenüber sofort auf ein
Tabu-Thema stürzt. "Dann könnte man schnell das Thema wechseln", schlägt ein Teilnehmer vor. Eine andere Möglichkeit: das Gespräch verallgemeinern oder einfach einen Dritten miteinbeziehen. Eine weitere
Herausforderung sind Endlos-Erzähler und Langweiler, die man aber nicht verärgern will, weil sie beispielsweise potenzielle Kunden sind. "Wenn Sie Zeit haben: reden lassen", rät Kessler. Ansonsten helfe
manchmal auch ein lustiger Spruch, um die Dauerschleife zu unterbrechen. Wer einen Smalltalk beenden will, muss ebenfalls ein paar Regeln beachten: Die Absicht freundlich ausdrücken, sich mit einem positiven
Schlusssatz für das Gespräch bedanken ("Es war interessant . . .") und dann mit Blick in die Zukunft verabschieden ("Könnten Sie mir den Text mailen?").
Besonders unangenehm kann es
werden, wenn der Gesprächspartner Smalltalk ablehnt - wie der irische Literaturnobelpreisträger George Bernard Shaw, der bei gesellschaftlichen Anlässen Selbstgespräche bevorzugte. "Ich unterhalte mich gerne
mit intelligenten Leuten", soll er auf Nachfragen erklärt haben. "Wer Smalltalk ablehnt, wirkt arrogant, schüchtern und unbeholfen", kritisiert Kessler. In solchen Fällen: "Fragen, aber nicht
ausfragen. Oder über Fachliches sprechen. Irgendwann wird schon was zurückkommen."
Wem die spontane Unterhaltung schwer fällt, der kann sich sogar vorbereiten - allerdings sollte das nicht auf Kosten der
Natürlichkeit gehen. Ein Trick: Die Internetseite www.small-talk-themen.de bietet täglich einen aktuellen Themen-Tipp. Auch wer Zeitung liest, weiß, worüber man gerade spricht. Und ein wenig Basis-Wissen über Kunst,
Musik, Literatur hat ebenfalls noch niemandem geschadet. Ansonsten heißt es: einfach umschauen. Sehen, hören, riechen, schmecken - wer seine Sinne einsetzt, kommt schnell auf ein Gesprächsthema. Zum Beispiel:
"Der Kaffee tut gut" oder "Der Garten ist ja wunderbar angelegt".
Und dann empfiehlt Kessler etwas, das sie "kreatives Assoziieren" nennt. Einfach einen Begriff aufgreifen und
überlegen, was einem noch alles dazu einfällt. Die Praxisübung der Seminarteilnehmer, die anhand einer Stichwortliste ein angeregtes Gespräch führen sollen, bringt skurrile Ergebnisse hervor: Vom Urlaub geht es etwa
über das Thema Schottland, Kühe, Whiskey zu Speed-Dating und dem Thema Zeitdruck. Erst ist es manchem Teilnehmer peinlich, die Gesichter erröten, die Hände verkrampfen. Dann ein zaghaftes Lächeln, ein lockerer
Spruch, und langsam entspannen sich die Züge. Schnell wird klar: Mit dieser Methode lassen sich fünf Minuten, notfalls aber auch ein dreistündiges Dinner überstehen.
Zu beachten ist noch das Floskel-Verbot.
"Selbst über das Wetter", sagt Kessler, "kann man sich interessant unterhalten." Wer jetzt noch gut zuhören kann und ein wenig Körpersprache beherrscht, ist der perfekte Smalltalker: Lächeln,
Blickkontakt halten, aber nicht anstarren. Gerade hinstellen, dann steigt die Laune. Denn die ist wichtiger als der Inhalt. "Auf die positive Einstellung kommt es an", sagt Kessler.
In der nächsten
Pause stehen die Teilnehmer locker bei einem Kaffee zusammen. "Mein Selbstvertrauen ist gewachsen, es ist nicht mehr so schwer, Themen zu finden", zieht einer von ihnen eine erste Bilanz. "Und ich
habe immer gedacht, dass das, was ich sage, nicht schlau genug ist", ergänzt ein anderer: "Jetzt weiß ich, dass es vor allem um den positiven Eindruck geht. Und dass alle nur mit Wasser kochen." Dann
reden sie noch über das Hotel und die bevorstehende Heimreise, und plötzlich plätschert die Plauderei wie von selbst.
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