Vom Small Talk zur Konversation

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Dezember 2002
Beruf und Chance

Auf dem gesellschaftlichen Parkett sind Geld und Politik tabu
Erfolgreicher Small talk stärkt berufliche Beziehungen
Gute Umgangsformen haben Konjunktur

Von Gabriele Hermani

Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance, heißt es und das gilt natürlich auch für das Berufsleben. Gute Umgangsformen oder „das, was sich gehört“ kommen aber nicht mehr selbstverständlich daher. Etikette-Trainer und auch ihre Publikationen erfreuen sich reger Nachfrage. Kurse, in denen gutes Benehmen und die Kunst des „Small talk“ vermittelt werden, haben Hochkonjunktur in Zeiten, in denen sonst an der Weiterbildung eher gespart wird.

Qualifizierte Mitarbeiter verstehen häufig eine Menge von ihrem Fach, wissen aber nicht, wem sie bei der Weihnachtsfeier im Unternehmen, bei der Kundeneinladung auf einer Messe oder einer Ausstellung in den Firmenräumen zuerst die Hand geben sollen oder ob überhaupt. Und wie geht es dann weiter? Worüber redet man? Doch nicht nur junge Menschen sind in ihrem beruflichen Alltag in Sachen Etikette manchmal überfordert. Auch Führungskräfte, die, sei es durch neue Aufgaben oder durch einen Karrieresprung, auf einmal repräsentieren müssen, sind häufig unsicher. „Zu einem souveränen Auftritt auf dem gesellschaftlichen Parkett gehört neben den entsprechenden Umgangsformen auch ein Basiswissen der kulturellen Bildung, um den geeigneten Gesprächsstoff zu jeder Gelegenheit zur Verfügung zu haben“, sagt Annette Kessler, die mit „Culture Talk“ Dienstleistungen rund um das Thema anbietet.

Deshalb lernen zehn junge Nachwuchsführungskräfte der Deutschen Bank im hauseigenen Schulungszentrum in Kronberg neben Kommunikationstechniken auch vier Stilrichtungen der Musik. Die bedeutendsten Vertreter der Klassik, erfahren sie, seien Haydn, Mozart und Beethoven gewesen, letzterer habe neun Symphonien geschrieben, aber nur eine Oper – Fidelio. Damit das Gesagte auch mit den Sinnen erfaßt wird, spielt die promovierte Musikwissenschaftlerin und Germanistin Kessler die Wassermusik von Händel an, der bedeutende Vertreter des Barock liegt – man glaubt es kaum – im Westminster Abbey begraben. Schließlich war der Mann am englischen Hof Hofkapellmeister. Die jungen Banker folgen den Ausführungen mit Interesse, denn im Anschluß werden sie aufgefordert, in Zweierteams Assoziationsketten zu bilden.

Janek Löschner, Kundenbetreuer in einer Bank-Filiale in Berlin und Björn Watermann, der in einer Filiale in Münster als Finanzberater arbeitet, bekommen die Aufgabe, sich anhand des Stichworts „Frankfurt“ durch einen Small Talk zu hangeln. Sie meistern das bravourös, angefangen von einer stilvollendeten Vorstellung (“ich bin Björn Watermann und nicht etwa „meine Name ist Bond, James Bond“) über die naheliegende Frankfurter Börse, zu Luxusgütern, der neuen Platte von Grönemeyer bis hin zu Frau und Kindern.

Gibt es Regeln für einen erfolgreichen Small talk? Ja, sagt Annette Kessler, die gibt es. Wobei man auch den Small Talk als solchen erst einmal rehabilitieren sollte. „Es gibt kein oberflächliches Gespräch, es gibt nur oberflächliche Menschen“, sagt die Kommunikationstrainerin. Schließlich verbrächten wir einen Großteil unserer Zeit im Umgang und im Gespräch mit anderen. Small talk sei keine intellektuelle Kapitulation, sondern eine nützliche Form der Kommunikation. Ein freundlich geführtes Gespräch schaffe Beziehungen und die seien nun mal die Grundlage für eine berufliche Karriere. Allein – worüber reden? Denn, um später die geknüpfte Beziehung zur vertrauensvollen Grundlage für geschäftliche oder berufliche Angelegenheiten heranzuziehen, gilt es, mit denselben nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Zu den Themen, die für den Small talk „top“ sind, gehören das Wetter, die Anreise, Sport, die Börse und das Internet, Restaurants, Reisen, Konzerte, Theater, Oper und Literatur. „Tabu sind Themen rund um Religion, Geld, Ehekrisen, Krankheit und Politik“, sagt Annette Kessler. Den jungen Bankern, die die Etiketteeinlage im Rahmen einer dreitägigen Abschlußveranstaltung ihrer Traineeausbildung hören, gibt sie den Rat mit auf dem Weg, einfach jeden Tag nicht nur den Wirtschaftsteil, sondern das Feuilleton einer Tageszeitung aufmerksam zu lesen, denn dann habe man „keinen Mangel an Gesprächsstoff mehr“, könne bei kulturellen Themen mitreden und seine Kontakte so erweitern.

„Je höher Sie auf der beruflichen Erfolgsleiter steigen, desto mehr wird auf überzeugendes Auftreten und gutes Benehmen geachtet“, sagt auch die Benehmensberaterin Marlies Smits. Höflichkeit, Takt, Toleranz und Rücksichtnahme seien nach wie vor die „Basics“ bei zeitgemäßen Umgangsformen. Aus der Steinzeit stamme noch unser Reflex, „blitzschnell zu entscheiden, ob uns Freund oder Feind gegenübersitze“. Was gesagt werde habe nur einen winzigen Anteil an dieser Sortierung. Sicheres Auftreten und Souveränität seien eine Seite der persönlichen Ausstrahlung eines Menschen, aber auch Kleidung, Haltung, Gestik und Mimik und natürlich die Umgangsformen spielten eine große Rolle. Während tatsächlich in den siebziger und achtziger Jahren die Einhaltung eines „Dresscode“ fast verpönt war und Joschka Fischer noch in Jeans und Turnschuhen Politik machte, hat die richtige Kleidung zum richtigen Anlaß inzwischen einen wichtigen Stellenwert. “Kompetenz machen wir auch an der Kleidung fest“, sagt Marlies Smits.

Darauf, daß für den Small talk mit Menschen aus anderen Ländern oder anderer Kulturkreise auch eigene Regeln herrschen, weist die Kommunikationstrainerin Elisabeth Bonneau hin. „Wer Wertsysteme und Verhaltenscodes kennt, kann vorgefertigte Wertungen abbauen, kann Verständnis wecken und sich Achtung verschaffen“, schreibt die Psychologin in ihrem neuen Karriereratgeber „ „Erfolgsfaktor Small talk“. Die Amerikaner beispielsweise seien, erfährt der Leser, im Anbahnen von lockeren Beziehungen Weltmeister, während bei den Briten das Gebot „never mix business with pleasure“ gelte. Im Umgang mit Asiaten rät Bonneau zu bescheidenem Auftreten und Achtsamkeit und wer mit Arabern verhandelt, sollte geradesitzen.

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